HSG Strohgäu | Männer 1

Männer 1 – Handballregion Bottwar SG 3 28:28 (13:17)

Perspektivenwechsel

Musikempfehlung für diesen Beitrag: Der Nino aus Wien – Unentschieden gegen Ried

Es gibt Momente im Leben, die einen erstmal gänzlich unvorbereitet treffen, obwohl man mit einer Kleinstmenge an investierter Hirnleistung selbst drauf kommen hätte können. Zum Beispiel, dass es ungesunde Folgen haben könnte, Fledermäuse von einem offensichtlich vom WKD vernachlässigten Wochenmarktstand in Wuhan zum eigenen Verzehr zu erwerben (Coronawitz damit abgehakt). Oder, dass bei einem komplett neuen Trainerteamtrio plötzlich nicht mehr wortlos klar ist, dass man für einen der jetzt nicht mehr so zahlreichen Plätze auf dem Spielberichtsbogen gesetzt ist.

Die Partie gegen HABO 3 vefolgte der Berichtschreiber daher zum ersten Mal seit Äonen von Jahren von der Tribüne aus. Immer noch besser, als Zeitnehmer zu machen (Grüße gehen raus an Schafi). Außerdem die perfekte Möglichkeit, endlich mal so richtig zu pöbeln. Daher ist es hier nur angebracht, den ortsmäßigen Persprektivwechsel auch erzähltechnisch umzusetzen. Es folgt also der erste M1-Spielbericht mit Ich-Erzähler. Geilo.
Eigentlich ist es echt nett dort oben. Man darf Bier trinken, bevor das Spiel überhaupt angefangen hat. Prinzipiell ist meine Laune also erstmal gut. Auch nach den ersten paar Minuten hat sich daran wenig geändert. 3:1 nach vier Minuten, Abwehr sieht solide aus. Easy Peasy Lemon Squeezy, wie die coolen anglophilen Kids von heute sagen. Ich lehne mich entspannt zurück und lästere über Aussehen und Körperbau der gegnerischen Spieler, während ich gekonnt meinen über die letzten Jahre angesparten Wohlstandsspeck einziehe.

Zwischen dieser Lästerei und einigen ersten Fehlwürfen muss ich irgendwo kurz den Fokus aufs Spielgeschehen verloren haben, denn plötzlich liegen die Gäste mit 6:7 vorne. Die Abwehr sieht definitiv nicht mehr solide aus. Mit einer einzigen Wurftäuschung lässt der Bottwartäler Mittelmann die gesamte Strohgäuer Abwehr sowie Bank, Wischer, Kassendienst und Hausmeister aussteigen. Statt Easy Peasy Lemon Squeezy also eher Difficult Pifficult Steckrübe Squifficult. Naja gut, die werden sich schon raffen.

Update, zehn Minuten später: Sie raffen sich nicht. HABO ist mittlerweile auf 11:15 weggezogen. Die Burschen in Grün haben sich währenddessen offenbar die Anweisungen von WHO und Robert-Koch-Institut zu Herzen genommen und meiden öffentliche Veranstaltungen, indem sie ihre eigene spielerische Abwesenheit gekonnt zur Schau stellen.

Zur Pause liegt die HSG mit vier Toren gegen den Tabellendrittletzten hinten. Man würde ja sagen „Es kann nur besser werden“, aber dafür kenne ich diese Mannschaft zu lange.
In der Tat wird es nicht besser. Nachdem der Rückraumshooter der Gäste zum vierten Mal einen Freiwurf über den Block in die Strohgäuer Maschen setzt, frage ich mich, ob der Begriff „Bauerntrick“ für Tricks von oder gegen Bauern erfunden wurde.

Abgesehen von der Tatsache, dass die Gäste dankenswerterweise die letzten beiden Strafwürfe vergeben haben, mutiert die Strohgäuer Spielanlage mittlerweile zu einem Lehrstück darin, wie Ballkontrolle nicht funktioniert.
Auf der Tribüne mutiere ich mittlerweile zu Kranführer Ronny. „Paar Nichtskönner hier, originale Nichtskönner! Das hier ist ne Mannschaft für Vollidioten. Genau solche Vollidioten wie diese Strohgäuer sind! VOLLIDIOTEN!“ schimpfe ich. „Darum sind die auch nicht in der Bezirksliga, weil die am Tor vorbeischießen!“

Derweil geben die Schiedsrichter einen Treffer der Gäste, der noch auf der Linie gehalten wurde und sowas von nicht drin war. Das kann ich aus meiner Position, rund 50 Meter entfernt vom Geschehen und mit anderen Leuten in der Sichtlinie, selbstverständlich am allerbesten erkennen. Ich beschimpfe die Unparteiischen als „Protojockel“ und „Vollgasottos“.

23:28, und keine acht Minuten mehr auf der Uhr. Kielce hat 2016 im Championsleague-Finale neun Tore in 14 Minuten gegen Veszprem aufgeholt. Aber Kielce ist halt auch gut. Immerhin, HABO verwirft den dritten Strafwurf in Folge. Und ist wenige Sekunden später auch noch für zwei Minuten in Unterzahl, kurz darauf fällt das 24:28 – ausgerechnet Chris Bühler, dessen Aufgaben sich in der bisherigen Saison im Wesentlichen auf Co-Coaching und Barttragen beschränkt haben. -4 Tore, 4:36 auf der Uhr. Man sollte keine Hoffnung im Leben haben, die wird am Ende nur enttäuscht. Das wissen schon die Instastorys von liebeskummrigen Dreizehnjährigen.

In der Abwehr schafft es die HSG zur Abwechslung, den Ball ohne dazwischenliegendes Gegentor wiederzubekommen. Zweite Welle, El Torro Sergio Santos mit dem nächsten HSG-Tor. -3, 4:00 auf der Uhr. Als ob.
Im Gegenzug gibt es hinten wieder kein Durchkommen für die Bottwartäler. Hätte man den Rest der Partie auch so gespielt, könnte man jetzt entspannt auf das Postgame-Bier warten. Stattdessen geht es in den nächsten schnellen Angriff. Ein ordentlicher Spielansatz wäre hier zum Beispiel, durch einige schnelle Kreuzungen Lücken zu reißen, um in eine gute Wurfposition zu kommen. Bei der HSG setzt Michael Maier von Linksaußen aus mäßigem Winkel zum Heber an.
-2, 3:09 auf der Uhr. Hmm.
Wo kommt eigentlich diese Abwehr her, die wir da hinten gerade stellen? Und wo war die während der ersten 55 Spielminuten? Die Gäste kommen wieder nicht durch, also erstmal fett ne Auszeit nehmen. Auch ich schnaufe kurz durch. Nach einer Minute, präsentiert auf der hübschen neuen Hallenuhr, habe ich genug geschnauft. Weiter gehts, nächster Angriff, Kreisanspiel, Tor. So oifach isch dr Handball.
-1, 1:12 auf der Uhr. Bitte beruhiget euch.
Kurz kommt mir in den Sinn, dass es ja wohl die HSG-mäßigste Aktion wäre, es nach so einer Aufholjagd doch noch zu verkacken. Erstmal verkackt HABO allerdings wieder, ich habe das Gefühl, dass sich bei den Gästen Nervosität einschleicht, von der Souveränität zu Beginn der Halbzeit ist nichts mehr zu sehen. Wieder hat die HSG den Ball. Den! Ball! Man tut es nicht glauben tun, diese Flachpfeifen können hier tatsächlich noch ausgleichen.
Tun sie nicht. Das Kreisanspiel segelt Fieldgoalartig durch die Arme von Freund und Feind in den Sechsmeterraum. Und ich hatte mich schon gewundert, wo die alte HSG hin war. Auch die Gäste legen nochmal die Grüne Karte.
-1, 0:24 auf der Uhr. Vollidioten.
Das Prinzip der offensiven Abwehr ist ja prinzipiell recht einfach. Solange jeder verhindert, dass sein Gegenspieler keinen Ball bekommt, ist für alles gesorgt. Diese Grundidee funkioniert der Natur nach am Besten, wenn nicht plötzlich der Toptorschütze des Gegners glockenfrei steht und nur noch auf Kosten eines Strafwurfs verteidigt werden kann. Und wer wird schon vier Strafwürfe hintereinander verwerfen? Der Wurf klatscht links vom Tor an die Hallenwand.
-1, 0:12 auf der Uhr. Ich rascht glei aus.
Unter https://youtu.be/iu-GqZu3z14 gibt es ein Video, das meine aktuelle Gefühlslage gut beschreibt. Nur eben im positiven.
Es reicht also noch für eine letzte zweite Welle. Der Ball landet wiedermal auf Linksaußen. Während Maier zum Sprung ansetzt, hört man aus dem Off Chariots of Fire von Vangelis. Der Aufsetzer hüpft in einem sanften Bogen ins lange Eck.
±0, 0:03 auf der Uhr. Ich tu ausraschtn.
Die Hupe hupt. Wegen irgendwas wurde das Spiel aber nochmal unterbrochen. Der Treffer zählt, aber die drei Sekunden werden nochmal angepfiffen. Nach zwei Pässen der Gäste ist trotzdem Schluss, Aus, Mickeymaus. Ein Punkt gegen den jetzt nur noch Tabellenviertletzten. Noch nie war ich so zufrieden und gleichzeitig so unzufrieden mit einem Ergebnis.
Nach diesem Herzschlagfinale tritt die Mannschaft gleich nächste Woche... ach halt, da war was. Also: Nach diesem Herzschlagfinale werden die Männer 1 eventuell irgendwo irgenwann wieder gegen irgendwen spielen, eventuell aber auch nicht. Wir wissens auch nicht genauer.

Exen erstmal eine Flasche Sagrotan:
Tor: Heiko Günther, Yannick Thiebes
Feld: Moritz Bausch, Christopher Bühler (2), Kevin Baumert, Marcus Haselbauer (4), Julian Kläger (3), Michael Maier (7/2), Marco Weber (3), Luis Neuhöfer, Patrick Kern (2), Sergio Santos Caballero (6), Tobias Gröner, Sebastian Zink (1)
Auf der Bank: Horst Baumgärtner, Juri Maier, Dennis Maitzen, Marco Goll

Männer 1
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